Susi-Weigel-Weg in Wien-Meidling

Andreas Weigels Laudatio anlässlich der Susi-Weigel-Weg-Benennungsfeier am 23. Mai 2024

Straßenschild „Susi-Weigel-Weg“ in Wien-Meidling (23. Mai 2024)
Straßenschild „Susi-Weigel-Weg“ in Wien-Meidling (23. Mai 2024)

Vor 19 Jahren habe ich den Vertreter:innen von Susi Weigels Wahl-Heimat
Bludenz geschrieben, dass es eine schöne Geste wäre, durch eine Ausstellung,
Veranstaltung, Straßenbenennung oder Ähnliches an diese bekannte Kinderbuch-
Illustratorin zu erinnern, die jahrzehntelang in Bludenz gelebt und gewirkt
hat und von der die populären Illustrationen zu den Kinderbuch-Klassikern
Bärli Hupf“ (1957), „Hannes und sein Bumpam“ (1961), „Die Omama im
Apfelbaum
“ (1965), „Das Städtchen Drumherum“ (1970), „Das kleine Ich bin
ich
“ (1972) und „Die Geggis“ (1985) stammen.

Kurz darauf kam die Antwort, dass die „bekannte Kinderbuch-Illustratorin Susi
Weigel in Bludenz ‚kein Begriff‛ sei.“ Sie habe ganz offensichtlich vollkommen
zurückgezogen gelebt und gearbeitet, da sich niemand von der städtischen
Verwaltung an Susi Weigel erinnere.

Diese Auskunft entsprach der damaligen Situation. Denn während die von Susi
Weigel illustrierten Kinderbücher weiter weltweit verlegt wurden, war sie selbst
nach ihrem 1990 erfolgtem Tod nahezu völlig in Vergessenheit geraten. Ihr
Leben und Werk wurde selbst von der Kinder-und-Jugendliteratur-Forschung
sträflich vernachlässigt.

Dank der seit 2010 erfolgten Ausstellungen im „Frauenmuseum Hittisau
(2010), der „Remise Bludenz“ (2011), dem „Wien Museum“ (2014/15) und dem
vorarlberg museum“ (2015/16) hat sich Susi Weigels Bekanntheit deutlich zum
Besseren verändert.

Die Tatsache, dass die Stadt Bludenz 2013 einen städtischen Kindergarten nach
Susi Weigel benannt hat – und hier heute die Benennung des Wiener „Susi-
Weigel-Wegs
“ gefeiert wird, zeigt, dass ihre maßgebliche Leistung für die
österreichische und internationale Kinder- und Jugendliteratur endlich
gewürdigt wird.

Es ist erfreulich, dass die „Stadt Wien“, die mehrere Jahrzehnte Susi Weigels
Lebensmittelpunkt war, ihr nun eine dauernde offizielle Erinnerung setzt.

Susi Weigel wurde 1914 im mährischen Proßnitz geboren. Sie wuchs zwischen
1915 und 1936/37 in Döbling auf. Von 1929 bis 1934 hat sie die Wiener
Kunstgewerbeschule (heute „Universität für angewandte Kunst“) in der Innenstadt
besucht, wo sie als angehende Grafikerin in der Kunst, zu schreiben, zu
zeichnen und zu malen ausgebildet wurde.

Dass Susi Weigel nicht am Alsergrund, in Döbling oder der Innenstadt, sondern
in Meidling geehrt wird, ist ihrer künstlerischen Zusammenarbeit mit dem
Illustrator und Karikaturisten Willy Spira (1913-1999) geschuldet.

Er hat in den 1930er-Jahren bei seinen Eltern in der neuerrichteten Gartenstadt
„Am Tivoli“, Ludwig-Martinelli-Gasse 8, gewohnt, bis die Wohnung im Juli
1938 arisiert wurde. Während seiner Studienzeit hatte Spira in der Grünbergstraße
29 ein Atelier gemietet, in dem er auch ein „Reklamebüro“ betrieb.

Spira und Weigel haben einander 1932 an der Kunstgewerbeschule kennengelernt
und damals immer wieder zusammengearbeitet. So haben sie
beispielsweise im Fasching 1933 gemeinsam mit drei weiteren Schulkolleg:
innen die Dekorationen der „Mediziner-Redoute“ in den Sophiensälen
gestaltet.

Susi Weigel als ägyptische Tänzerin bei der Mediziner-Redoute in den Wiener Sofiensälen. (Aus: „Die Bühne“, 1933 Nr. 347, 52)
Susi Weigel als ägyptische Tänzerin bei der Mediziner-Redoute in den Wiener Sofiensälen. (Aus: „Die Bühne“, 1933 Nr. 347, 52)

Irgendwann zwischen 1933 und 1935 fand in Spiras Meidlinger Atelier sogar
eine gemeinsame Ausstellung ihrer Werke statt, wovon ein Plakat und eine
Ausstellungsbesprechung überliefert sind, die aber leider undatiert sind.
Aus diesem Zeitraum stammt auch eine liebevolle Karikatur von Willy Spira, die
eine völlig auf das Malen konzentrierte Susi Weigel zeigt.

Spira und Weigel waren lediglich 1 ½ Jahre Schulkollegen, da Weigel ihre
Ausbildung an der Kunstgewerbeschule bereits 1934 mit dem angestrebten
Diplom abschloss. Während sie anschließend ein Studium an der „Akademie der
bildenden Künste“ begann, musste der ein halbes Jahr ältere Spira weiter die
Schulbank drücken, da er erst mit einem Jahr Verzögerung zu studieren
begonnen hatte.

Trotz ihrer nun unterschiedlichen Ausbildungsstätten und der damit
verbundenen unterschiedlichen Verpflichtungen arbeiteten Spira und Weigel
Anfang 1935 mehrere Wochen gemeinsam an einer zehnminütigen Farb-
Zeichentrick-Film-Version von Georges Bizets Oper „Carmen“, die 1935 als
„Konzertfilm“ in die Wiener Kinos kam.

Die künstlerische Zusammenarbeit dauerte zumindest bis April 1935, wie ein
Brief belegt, mit dem die beiden den an der Kunstgewerbeschule lehrenden
Maler und Grafiker Wilhelm Müller-Hofmann (1885-1948) anlässlich seines
fünfzigsten Geburtstags bitten, sich von ihnen, seinen beiden Meisterschülern,
in ein kleines Café einladen zu lassen.

Um diese Zeit begann Susi Weigel bei dem vom Architekten Bruno Buzek (1911-
1973) durchgeführten Umbau des elterlichen Kaffeehauses in der
Porzellangasse
mitzuarbeiten. Anschließend würdigten Fachartikel ihre
gelungenen Wandmalereien im Kaffeehausbereich und das von ihr und Bruno
Buzek „folkloristisch ethnografisch ausgestattete“ Tanzlokal im Souterrain. Der
Name des im Kaffeehauskeller befindlichen Tanzlokals wurde damals von
„Industrie-Diele“ zu „Abessinien-Bar“ geändert. Als ein paar Tage später das
faschistische Italien den Staat Abessinien ohne Kriegserklärung überfallen
hatte, um ihn als Kolonie auszubeuten, wurde die Bar unverzüglich in „Kongo-
Diele
“ umbenannt und durch Flugblätter beworben, die von Susi Weigel
illustriert und gestaltet wurden.

Der Artikel erwähnt neben den Arbeiten des Architekten Bruno Buzek und des Malers Franz von Zülow Susi Weigels Wandmalereien („Das Café ‚Industrie‛ in neuem Gewande.“ Aus: „Neue Freie Presse“, 6. Oktober 1935, 11)
Der Artikel erwähnt neben den Arbeiten des Architekten Bruno Buzek und des Malers Franz von Zülow Susi Weigels Wandmalereien („Das Café ‚Industrie‛ in neuem Gewande.“ Aus: „Neue Freie Presse“, 6. Oktober 1935, 11)

Um 1936/37 übersiedelte sie nach Berlin, wo sie als angestellte Trickfilmzeichnerin
und freie Grafikerin tätig wurde und 1937 den Architekten Bruno
Buzek heiratete.

Nach Kriegsende kehrte Susi Weigel nach Wien zurück, wo sie für das Kindermagazin
Unsere Zeitung“ zu arbeiten begann: Unter anderem zeichnete sie
Comic-Versionen von Robert Louis Stevensons Abenteuerroman „Die Schatzinsel
und Jonathan Swifts satirischem Roman „Gullivers Reisen“.

Dabei lernte sie die Kinderbuchautorin Mira Lobe kennen, mit der sie
anschließend jahrzehntelang zusammenarbeitete, Buchideen entwickelte und
umsetzte. Gemeinsam schufen sie zahlreiche auch kommerziell erfolgreiche
Kinderbuchklassiker, von denen einige mit nationalen und internationalen
Preisen ausgezeichnet wurden.

Mit ihren gelungenen, lebhaften und vergnüglichen Zeichnungen, die die Kinder
seit Jahrzehnten faszinieren und unterhalten, hat Susi Weigel entscheidend
dazu beigetragen, dass die gemeinsam mit Mira Lobe geschaffenen
Kinderbücher zu Klassikern und Bestsellern wurden.

Doch im Unterschied zu Susi Weigels Werk sind ihr Name und ihre Biografie
der breiten Öffentlichkeit weitgehend verborgen geblieben. Susi Weigel stand
meist im Schatten ihrer für den Text verantwortlichen Kollegin Mira Lobe, die
häufig allein, gleichsam stellvertretend, für beide Schöpferinnen mit Ehrungen
und Preisen für Kinderbücher ausgezeichnet wurde, die unbestritten
Gemeinschaftsarbeiten waren.

Straßenbenennungen sind nicht nur eine sehr umweltfreundliche Art der
Straßenbenutzung, sondern eine sinnvolle Möglichkeit, an Leben und Werk von
Personen zu erinnern, die kulturelle bzw. gesellschaftlich bedeutende
Leistungen von bleibendem Wert erbracht haben.

Nebenbei haben Straßenbenennungen auch einen volksbildnerischen Effekt. Im
vorliegenden Fall erinnern sie daran, dass Mira Lobes Bücher ohne Susi Weigels
künstlerisch interessante Zeichnungen, gewiss nicht jene Bestseller geworden
wären, die sie bis zum heutigen Tage sind.

Herzlichen Dank für Ihr Interesse.

Bil-Spira-Video-Porträt mit Susi-Weigel-Passage

Der nachfolgende YouTube-Link führt zu dem englischsprachigen Video-Porträt „Wilhelm Spira – The Story of a Survivor“. Es dokumentiert zwischen Minute 1:34 und 3:17 Spiras Zusammenarbeit mit seiner Studienkollegin Susi Weigel, wobei das Meidlinger Ausstellungsplakat, Spiras Susi-Weigel-Porträt und ein längerer Ausschnitt ihres gemeinsamen Zeichentrickfilms „Carmen“ (1935) zu sehen sind: „Wilhelm Spira – The Story of a Survivor“.

P.S.: Zur Geschichte von Susi Weigels öffentlicher Sichtbarmachung

Meine Taufpatin Susi Weigel ist nach ihrem von den Kulturredaktionen unbeachtet gebliebenen Tod nahezu völlig in Vergessenheit geraten, obwohl die von ihr illustrierten Kinderbücher weiter weltweit verlegt wurden. Nachdem 2004 auch ihr 90. Geburtstag unbeachtet verstrichen ist, habe ich 2005 im Vorfeld ihres 15. Todestages begonnen, mich in Bludenz, Vorarlberg und Wien für Ausstellungen und Straßenbenennungen zu engagieren und stetig auf ihr von der Forschung vernachlässigtes Leben und Werk hinzuweisen. Unter anderem durch die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung eines Wikipedia-Artikels, der ab Jänner 2007 mangels anderer verfügbarer Quellen als Grundlage und Ausgangspunkt zahlreicher Medienberichte gedient hat, bevor mit den oben genannten Ausstellungen in den Jahren 2010, 2011, 2014 und 2015 gedruckte biografische Darstellungen verfügbar wurden.

Mit dieser E-Mail habe ich am 11. Februar 2006 Wolfgang Kos, den Direktor des „Wien Museums“, den ich durch meine Mitarbeit bei der Ö3-„Musicbox“ kannte, angeregt, im „Wien Museum“ eine Ausstellung über Susi Weigel und Mira Lobe durchzuführen. Sie ist 2014/15 erfolgt und wurde die zweitmeistbesuchte Ausstellung der Ära Kos.
Mit dieser E-Mail habe ich am 11. Februar 2006 Wolfgang Kos, den Direktor des „Wien Museums“, den ich durch meine Mitarbeit bei der Ö3-„Musicbox“ kannte, angeregt, im „Wien Museum“ eine Ausstellung über Susi Weigel und Mira Lobe durchzuführen. Sie ist 2014/15 erfolgt und wurde die zweitmeistbesuchte Ausstellung der Ära Kos.

Bei meinen Recherchen zu Susi Weigels Biografie habe ich in den vergangenen Jahren ihren familiären Hintergrund und die Lebensgeschichten einiger ihrer teils zeit-, teils kulturgeschichtlich interessanten Familienmitglieder aufgearbeitet und durch Lexika- und Blog-Beiträge dokumentiert, da Susi Weigels Verwandtschaft mit dem Architekten Karl Caufal, dem Luftschiff-Pionier Hans Hauswirth, der Cembalistin Julia Menz, den Tänzerinnen Meta Menz und Vera Zahradnik, der Burgschauspielerin Johanna Borak sowie dem Reichsratsabgeordneten Alois Vrtal in den bisherigen Susi-Weigel-Ausstellungen und -Publikationen aus Unkenntnis ignoriert wurde.

Siehe auch: Off topic: Wien, Hohe Warte 29. Anmerkungen zur einstigen Wiener Villa der Familie Hans und Gisela Weigel. (Obacht: Etwas längere Ladezeit)

Danksagung

Für Auskünfte, Dokumente und Hinweise zu Susi Weigels Studienfreund Willy Spira danke ich Sabine Apostolo (Jüdisches Museum der Stadt Wien), Oliver Bentz (Speyer), Ute Denkenberger (vorarlberg museum), Nathalie Feitsch (Universität für angewandte Kunst Wien), Silvia Herkt (Universität für angewandte Kunst Wien), Beate Huber (Universität für angewandte Kunst Wien), Karin Moser (Filmarchiv Austria), Bernadette Reinhold (Universität für angewandte Kunst Wien), Daniela Schmid (Jüdisches Museum der Stadt Wien) und Bil Spiras Neffen Jan Erik Wieselberg (Stockholm) herzlich.